Interview mit einem Brandermittler

Der Brand hat schwere Schäden hinterlassen. Einzelne Zimmer sind fast vollständig ausgebrannt. Trotzdem steht schon nach wenigen Wochen die Brandursache fest. Wer sind die Personen, die solche Rätsel lösen können? Wir geben Einblick in die spannende Arbeit eines Brandermittlers.

Im Kanton St.Gallen übernimmt die Brandursachenermittlung die Abteilung Brand und Spezialfälle, welche im Kompetenzzentrum Forensik bei der Kantonspolizei St.Gallen angegliedert ist. Die sechs Personen dieser Abteilung befassen sich nicht nur mit der Klärung von Brand- und Explosionsursachen, sondern auch mit den Fachbereichen Schusswaffen/Ballistik, Werkzeugspuren, Fahrzeug-Forensik, 3D-Vermessungen usw.  

In der Schweiz gibt es etwas über 100 Kriminaltechniker/innen, welche sich mit der Brandursachenabklärung befassen. In vielen kantonalen Polizeikorps ist die Brandursachenabklärung nicht separiert, sondern im Kriminaltechnischen Dienst angesiedelt. Bei den Mitarbeitenden dieses Dienstes handelt es sich um Allrounder, welche das ganze Spektrum der Kriminaltechnik, inklusive der Brandursachenabklärung, abdecken.

Fragen an Christen Marcel Kapo St. Gallen
Leiter Brand und Spezialfälle
Kompetenzzentrum Forensik SG

Herr Christen, wann kommt ein Brandursachenermittler zum Einsatz?
Der Brandursachenermittler kommt bei Bränden immer dann zum Einsatz, wenn die Brandursache unklar ist. In der Regel klärt der Brandursachenermittler nicht nur die Ursache bei Brandfällen, sondern auch bei Explosionsereignissen ab.

Braucht es immer eine Straftat, damit Brandursachenermittler eingesetzt werden?
Wenn wir zum Einsatz kommen, steht die Brandursache in der Regel nicht fest. Mit unserer Arbeit auf dem Brandplatz wird schliesslich versucht die Brandursache einzuschränken oder ganz zu klären. Erst aus diesen Erkenntnissen kann abgeleitet werden, ob die Brandursache für beteiligte Personen strafrechtliche Konsequenzen haben könnte. Diese rechtliche Würdigung obliegt aber nicht der Polizei, sondern der Staatsanwaltschaft.

Was ist Ihr Auftrag?
Bei Brandfällen leitet grundsätzlich die Staatsanwaltschaft das Verfahren. Diese entscheidet auch, wann ein Brandobjekt freigegeben wird und ob Zwangsmassnahmen gegen beschuldigte Personen durchgeführt resp. beantragt werden (z.B. Hausdurchsuchungen, Untersuchungshaft). Der Grundauftrag der Polizei ist es, die Brandursache zu klären. Dazu werden nebst unserer forensischen Tätigkeit auch beteiligte Personen zur Sache befragt und Ermittlungen getätigt.

Wo sind Brandursachenermittler eigentlich angestellt?
In der Schweiz und in vielen anderen Ländern sind Brandursachenermittler der Polizei respektive den Kriminaltechnischen Diensten oder Forensischen Abteilungen zugeordnet. Es gibt aber auch Länder, in denen die Brandursachenabklärung durch Versicherungen oder private Institute durchgeführt werden und nur die eigentliche Ermittlungsarbeit bei der Polizei liegt.

«Wir müssen gedanklich in die Vergangenheit reisen, um herauszufinden, wie es zum Brand kam und wie sich das Feuer ausgebreitet haben könnte».

Sie stehen vor einem ausgebrannten Gebäude. Wo beginnen Sie mit den Ermittlungen?
Es ist wichtig, dass man sich zu Beginn möglichst neutral und objektiv auf den Brandplatz/das Brandobjekt einlassen kann. Zentral ist, die Brandausbruchszone zu finden oder möglichst einzuschränken. Dazu sind Fotos oder Videos vom Beginn des Brandausbruches sehr wertvoll. Anschliessend wird in dieser Zone nach möglichen Zündquellen gesucht. Dabei kann es körperlich auch anstrengend werden, da der Brandschutt oft in Handarbeit abgetragen und durchsucht werden muss.

Grundsätzlich gilt: Je weniger verbrannt ist, desto einfacher gestaltet sich für uns die Spurensuche. Wir müssen Faktoren wie Platzierung von Gegenständen, Baustruktur des Gebäudes, Brandverhalten von Materialien oder Windrichtung beachten und gedanklich immer in die Vergangenheit reisen, um herauszufinden, wie es zum Brand kam und wie sich das Feuer ausgebreitet haben könnte. Bei der Brandursachenabklärung arbeiten wir stets nach dem Eliminationsverfahren, das bedeutet, dass wir alle möglichen Brandursachen durchgehen und dann ausschliessen, was sicher nicht in Frage kommt. Wir achten zudem darauf, dass wir, wenn möglich, nicht alleine an einen Brandort ausrücken, da vier Augen mehr sehen als zwei und die Gefahr der voreiligen Entschlussfassung dadurch vermindert wird.

Welche Hilfsmittel benötigen Sie dazu?
Für die Arbeit auf dem Brandplatz, stehen uns Schutzausrüstungen und diverse technische Gerätschaften und Werkzeuge zur Verfügung. Wir arbeiten nach dem "schwarz-weiss Prinzip". Also der Trennung von schmutzigen „Schwarz-“ und sauberen „Weiss-Bereichen". Mit diesem Arbeitsprinzip schützen wir unsere Gesundheit optimal vor den vielen Giftstoffen, die auf einem Brandplatz vorhanden sind und es wird möglichst verhindert, solche Schadstoffe in "weisse Bereiche" wie Einsatzfahrzeuge, Büros und Aufenthaltsräume zu verschleppen. Für die Dokumentation von Brand- und Explosionsereignissen setzen wir nebst Kameras auch Drohnen und 3D-Scanner ein. Wir haben auch spezielle Behältnisse dabei, damit bei Verdacht auf Brandstiftung Brandschuttproben gesichert und im Labor auf Spuren von Brandbeschleuniger analysiert werden können.

Und wie finden Sie Spuren von Brandbeschleunigern?
Um mögliche Brandbeschleuniger auf dem Brandplatz zu finden, stehen uns technische Geräte aber auch Brandmittelspürhunde zur Seite. Aktuell sind bei der Kantonspolizei St.Gallen eine Hundeführerin und ein Hundeführer dabei, ihre Diensthunde als Brandmittelspürhunde auszubilden. Die beiden Hunde werden uns auf den Brandplätzen einen grossen Dienst erweisen, weil die "Hundenase" das Beste aller Mittel für die Suche nach Brandbeschleunigern ist. Ein weiteres spezielles Hilfsmittel bei der Brandursachenabklärung ist auch das Röntgengerät, womit wir in das Innenleben von verbrannten elektronischen Geräten, Schaltern, Steckdosen, Sicherungen etc. sehen können.

Welches sind die häufigsten drei Ursachen für Brände?
Die häufigste Brandursache ist auf menschliches Versagen und Unachtsamkeit zurückzuführen. So zum Beispiel Brände durch eingeschaltete Kochplatten, durch brennende Kerzen, bauliche Mängel bei Feuerungsanlagen, mangelhafte Elektroinstallationen, unsachgemässe Bedienung von wärmeerzeugenden Geräten sowie unsachgemässe Entsorgung von Asche oder Zigarettenstummel.

Was passiert mit den Erkenntnissen, die Sie aus Ihren Ermittlungen gewonnen haben?
In diesem Zusammenhang sollte zwischen objektiver und subjektiver Seite bei den Ermittlungen unterschieden werden. Bei der Forensik stehen die objektiven Befunde, die Interpretation von gefundenen und gesicherten Spuren im Vordergrund. Bei den subjektiven Ermittlungen geht es dagegen um Aussagen von Personen oder um berufliche, persönliche und finanzielle Hintergründe von möglichen Verdächtigen.

Um Voreingenommenheit zu verhindern, ist es sinnvoll, wenn die naturwissenschaftlich-technische Abklärung von der subjektiven Seite personell getrennt wird. Deshalb wird bei der Kantonspolizei St.Gallen die Brandursache durch die Kriminaltechniker der Abteilung Brand und Spezialfälle vor Ort auf dem Schadenplatz und im Labor abgeklärt und die eigentlichen Ermittlungen (z.B. Befragung von Personen, Abklärungen bei Versicherungen, Umfeldabklärungen, Durchführung von Zwangsmassnahmen, etc.) werden durch die Regionalpolizei oder durch Ermittler der Kriminalpolizei durchgeführt. Es gibt aber auch Polizeikorps in der Schweiz, bei denen die Abteilung der Brandermittlung sowohl die Brandursachenabklärung als auch die dazugehörenden Ermittlungen durchführen.

Welches sind die schwierigsten Einsätze?
Die Brandursachenabklärung zählt zu den schwierigsten Gebieten in der Kriminaltechnik, da die Spuren durch das Feuer stark verändert oder ganz vernichtet werden. Je länger das Feuer gewütet hat, umso schwieriger gestaltet sich die Spurensuche im Brandobjekt. Deshalb sind wir besonders dann herausgefordert, wenn die Brandursache in komplett ausgebrannten Objekten abgeklärt werden muss. Als Brandursachenermittler muss man akzeptieren können, dass es auch immer wieder Fälle gibt, wo die Brandursache abschliessend nicht eindeutig geklärt werden kann.

 

Hauptsache Prävention

Unser Partner, die Gebäudeversicherung St.Gallen geht neue Wege, um auf mögliche Brandgefahren aufmerksam zu machen. Für ihre Gebäudeversicherung gilt: Hauptsache Prävention! Denn fast 40% der Brandschadenfälle im Kanton St.Gallen gehen auf die Ursache Elektrizität zurück. Solche Brände entstehen z.B. beim Verwenden defekter Haushaltsgeräte oder aufgrund von Fettbränden am Kochherd.

 

Werden wir etwas persönlicher. Warum sind Sie Brandermittler geworden?
Ursprünglich habe ich eine Lehre als Elektroinstallateur abgeschlossen, was mir bei meiner jetzigen Tätigkeit oft entgegenkommt, da rund 1/3 aller Brandfälle auf Elektrizität zurückzuführen sind. Nach der Polizeischule schloss ich kurze Zeit später den Diplomkurs Kriminaltechnik ab und habe einige Jahre nicht nur spezifisch als Brandursachenermittler, sondern generell als Kriminaltechniker im Kriminaltechnischen Dienst (KTD) gearbeitet. Im Jahre 2018 wurde dann bei der Kapo SG die Brandursachenabklärung separiert und aus dem KTD in eine neue Abteilung Brand und Spezialfälle ausgelagert. Seither arbeite ich in der genannten Abteilung. In der Schweiz gibt es keine reguläre Ausbildung oder ein Studium zum Brandursachenermittler. Es werden aber auf nationaler und internationaler Ebene diverse Kurse und Weiterbildungen angeboten. In unserer Abteilung arbeiten nebst drei Polizisten auch drei Zivilangestellte, welche ein naturwissenschaftliches oder technisches Studium abgeschlossen haben. Die Durchmischung von Polizisten und Akademikern empfinde ich als grosse Bereicherung.

«Als Brandursachenermittler sollte man hartnäckig, neugierig, gleichzeitig aber auch skeptisch sein».

Was zeichnet einen Brandermittler aus? Welche speziellen Fähigkeiten braucht man dafür?
Als Brandursachenermittler sollte man hartnäckig, neugierig, gleichzeitig aber auch skeptisch sein. Weiter muss man Interesse an physikalischen und chemischen Prozessen haben und die Naturwissenschaft als solches sollte einem nicht fremd sein. Auch sollte man körperlichen Arbeiten im Freien nicht abgeneigt sein.

Wie gehen Sie mit belastenden Ermittlungen um?
Bei der polizeilichen Arbeit wird man zwangsläufig mit belastenden Situationen konfrontiert. So auch bei der Kriminaltechnik. Wichtig ist, dass man bei Bedarf über die psychischen Belastungen sprechen kann. Bei der Kantonspolizei St.Gallen gibt es speziell ausgebildete Personen (Peer Support), welche niederschwellig eine sofortige Hilfe und Unterstützung leisten können. Bei Bedarf können für die Bewältigung von belastenden Ereignissen auch externe Fachpersonen beigezogen werden.

Wie viele Einsätze haben die Brandursachenermittler der Kapo SG pro Jahr?
Im Jahr bearbeiten wir durchschnittlich 130-150 Brandfälle. Für die Klärung von Brand- und Explosionsursachen rücken wir als Kompetenzzentrum Forensik SG zur Unterstützung auch bei Bedarf in andere Ostschweizer Kantone oder das Fürstentum Liechtenstein aus.

Wie lange dauert im Durchschnitt eine Brandermittlung?
Die Abklärungen an sich können zwischen einer Stunde und mehreren Tagen bis sogar mehreren Wochen dauern.

Wie hoch ist die Erfolgsquote?
Es ist schwierig bei der Brandursachenabklärung über eine eigentliche Erfolgsquote zu sprechen. Häufig bleiben nach Abschluss der Untersuchungen mehrere mögliche Brandursachen übrig und es kann nicht mit Sicherheit nur eine einzige Brandursache genannt werden.

Worauf achten Sie bei sich zuhause am meisten, damit keine Brände ausbrechen?
Bei uns zu Hause haben wir mehrere Rauchmelder installiert, damit wir möglichst früh von allfälligen Brandausbrüchen gewarnt würden. Auch achte ich besonders in der Adventszeit darauf, dass beim Verlassen des Hauses alle Kerzen gelöscht sind.

 

Besten Dank Herr Christen für diesen spannenden Einblick!

Unsere Partner